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Lebenszyklen

von Edda Eckhardt

Eines meiner Lieblingsthemen im Verlagswesen sind die Lebenszyklen eines Buches. Ich habe irgendwann mal gelernt, dass zuerst das Hardcover kommt und dann zwei Jahre später das Taschenbuch. Das war sehr schön und sehr übersichtlich und als ich das in meiner Abschlussprüfung im IHK-Prüfungssaal so hingeschrieben habe, wusste ich, dass es stimmt.

Heute bin ich verwirrt.

Es gibt Hardcover, die auch brav so erscheinen und dann mit grossem Trara als Taschenbuch wiedergeboren werden. Dann gibt es die, die zuerst als Paperback erscheinen und dann weiß schon keiner mehr, sind das jetzt Hardcover oder Taschenbücher. Und die kommen dann irgendwann als eine Art Zombies zurück: nämlich nochmal als Taschenbuch. Als würde jemand ein Buch jetzt dann doch kaufen, weil es 2 EUR günstiger ist und ein bisschen kleiner mit Papier, das ein bisschen schneller gilbt.

Dann gibt es Taschenbücher, die waren nie Hardcover oder Paperback – daß sind dann die Geheimtips oder die, die man irgendwann am liebsten ins Hardcover holen will. Das lohnt sich jetzt aber noch nicht.

Und auch mit der Ausstattung ist das so eine Sache: Die Paperbacks haben Klappen und Glitzer und am besten noch Leuchtreklame. Die Taschenbücher auch. Nur, dass die kleiner und billiger und schneller überladen aussehen.

Und jetzt schauen wir mal kurz ins Zahlenland: Im Bereich Belletristik (Hardcover und Paperback) sind die Zahlen laut Media Control rückläufig und zwar so gegen – 4 % im Vergleich zu den letzten drei Jahren. Im Taschenbuch ist es knapp -1 % bei der Belletristik und -2,5 % im Taschenbuch- Sachbuch. Behalten wir also im Kopf, dass bei gleichbleibenden (vielleicht sogar höherem) Novitätenausstoß der Absatz sinkt. Das ist ja erstmal nicht so toll.

Und jetzt schaut man sich die Entwicklung der einzelnen Absatzkanäle an: Der Verlierer ist der klassische Buchhandel mit einem prognostizierten Marktanteil für 2018 von 35 % (knapp 42 % waren es noch 2007). Barsortimente und Internetanbieter flattern und schwanken, bleiben aber ungefähr auf gleichem Niveau. Was geradezu explodiert, ist der Fachmarkt von 14 % im Jahr 2007 auf 23 % in 2018. Fachmarkt sind hierbei dann alle Rack-jobber, Kaufhaus, Kiosk, Flughafen- und Bahnhof, Supermärkte etc.

Und da drängt sich mir doch die Frage auf: Wieso brauchen wir Lebenszyklen. Ich würde auch gerne als Schmetterling wiedergeboren werden, glaube aber nicht, dass das passieren wird.

Bei schrumpfendem Markt und zunehmender – denn das ist es – Schärfung der Absatzkanäle, wird es immer wichtiger, dass wir nicht nur gute Bücher auf den Markt bringen, sondern sie nicht unbedingt nach Format konzipieren, sondern nach Absatzmarkt. Im Fachmarkt herrscht Preissensibilität und der Wunsch nach dem schnellen Buch, der schnellen Drehgeschwindigkeit. Im Buchhandel gibt es das Bestreben nach den Boutique-Geschäften mit geschärftem Profil und der Sehnsucht nach dem schönen, dem wertigen Buch (und das bezieht sich auf Innen wie Außen).

Wenn ich als Vertreterin in Buchhandlungen bin, dann erlebe ich sinnvollerweise ein Einkaufsverhalten, dass eine zentrale Frage in den Mittelpunkt aller Überlegungen rückt: Überzeugt mich dieser Titel so, dass ich Kapital und Regalmeter investiere.

Wenn diese Entscheidung nicht bejaht wird, dann kann man ihn nicht einkaufen.

Warum aber machen die Verlage noch immer B Titel und C Titel?

Ich würde mir eine Eindämmung der Novitätenflut wünschen. Und eine bewusste Planung, für welchen Absatzmarkt ein Buch konzipiert wird. Dann nämlich – und daran glaube ich – werden auch die Absätze steigen. Weil sich die Marktteilnehmen nicht in Grabenkämpfen verausgaben, sondern Bücher verkaufen, die auf Kanal und Zielpublikum abgestimmt werden. Heute gibt es doch schon lange keinen Trash mehr. Es gibt die richtige und die falsche Platzierung, die ideale und die weniger ideale Absatzstrategie. Was funktioniert, ist eine Kombination zwischen Ausstattung, Ausgabeform, Preisstrategie und eben Absatzmarkt. Wieso nicht Bücher nur für den Fachmarkt konzipieren und dafür die ganzen C-Titel aus der Vorschau schmeissen? Es gibt doch auch digitale Programme schon längst und das nicht unerfolgreich. Ein Schmetterling darf ein Schmetterling sein und muss nicht als Zwergziege wiedergeboren werden, finde ich.