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Frankfurt Book Fair, my love

Von Irina

Jedes Jahr nach der Frankfurter Buchmesse treffe ich Menschen, die mir erzählen, wie inspirierend sie wieder war. Und jedes Mal nehme ich das interessiert und leicht befremdet zur Kenntnis, ohne etwas Adäquates zu erwidern. Wie sie neue Autoren entdecken, erzählen sie. Wie toll der Gastlandauftritt war und welch ein Stapel Bücher darauf wartet, gelesen zu werden. Ich fühle mich dann etwas inkompetent, weil ich nicht in der Lage bin, dieses gigantische Buchfest als solches zu nutzen. Für mich ist die Messe zwar vieles, aber sicher kein Ort, an dem ich genüsslich künftige Lieblingsautoren treffe und mich dabei wahlweise ganz französisch, niederländisch, indonesisch etc fühle. Ich schlendere auch nicht darüber. Vielleicht machen die das am Aufbautag gegen Nachmittag. Ich weiß es nicht.

Wie die meisten Buchleute hatte ich schon verschiedenstes Zeug auf der Messe zu tun und habe sie von einigen Seiten kennengelernt. Ich mag das, denn sie hat wahnsinnig viele Seiten und die will ich alle mal sehen. Ich hatte Termine mit Leseförderern, Verlagen, internationalen Verbänden, Presseleuten, Lektoren. Dort habe ich auf Deutsch, Englisch oder Spanisch geredet und mich geärgert, dass ich nicht mehr Sprachen spreche. Als Volontärin habe ich Kaffee im Lesezelt verkauft und als Buchmessemitarbeiterin war ich bei meinen jeweiligen Konferenzen. Mein Messegefühl aber war immer ungefähr gleich. Ich kann euch verraten, dass es weniger eine anhaltende Hommage an die Kunst der Worte ist (auch wenn das Gefühl durchaus mal auftaucht), sondern sich eher anfühlt wie Achterbahnfahren im Kostüm und dabei schlau aussehen müssen.

Zu Messestart ist die Kleidung gebügelt, die Tasche gepackt und die Visitenkarten sind griffbereit parat. Ich bin sortiert und es fühlt sich an, als hätte ich alles im Griff. Schließlich bin ich gut vorbereitet. Dennoch ist da dieses diffuse Wissen darum, dass jede Messe mich wie eine Welle mitreißen und am Ende zerzaust wieder ausspucken wird. Aber es ist wie nach einem Geburtserlebnis: Jedes Jahr speichert dein geschundener Geist diese Gewissheit sehr abgeschwächt, eher wie eine nebulöse Ahnung, irgendwo im Hinterkopf ab. Sonst würde ja keiner mehr hingehen. Du weißt nur, dass du den Kopf irgendwie über Wasser halten wirst. Mehr aber nicht.

Du rollst also mit der U-Bahn ein, zeigst am Eingang dein Ticket vor und landest in einem Pulk von Menschen in der Sicherheitskontrolle. Rollkoffer werden hochgehieft, Jacken sind zu heiß, du könntest ein paar mehr Hände und Taschen gebrauchen. Die Schlange zur Garderobe kreuzt den Pulk, den die Sicherheitskontrolle ausspuckt und es gibt den zweiten Stau. Dann bist du die Jacke losgeworden und treibst in dem Menschenpulk in Richtung Messehallen. Wie jedes Jahr fragst du dich, wo es langgeht, und entschließt dich, weiter der Masse zu folgen. Dann kommen schon bald die Bänder. Am Ende landest du planlos in Halle 3.1., von wo aus es keinen stressfreien Weg in Halle 4 gibt, wohin du eigentlich willst.

Dir bricht der Schweiß aus und in dem Moment kommt das eigentliche Messegefühl auf. Du erinnerst dich: zu viel zu tragen, zu wenige Sitzmöglichkeiten, Wechsel zwischen Kalt und Warm, Schulter tut weh. Und zwischendurch Gedränge, tolle Stände, Satzfetzen eines Interviews, du suchst den Ausgang. Die nächsten Tage werden davon dominiert, dass du irgendwo hinmusst, aber nicht -kommst. Dass du aufs Klo musst, aber alle voll sind. Durst und Hunger hast, aber keine Zeit zum Anstehen. Auf der Agora riecht es nach Pommes, die du aber nie isst, weil die Schlange an den Ständen über den halben Platz reicht.

Am Ende der Messe wirst du wieder wissen, welcher der beste Weg ist. Du wirst Leute getroffen haben, die du magst und die du nur in Frankfurt triffst. Deine Tasche wird voller Vorschauen, Visitenkarten, Gesprächsunterlagen sein. An mindestens einem der Messetage wirst du verkatert, ein anderer wird mies gelaufen sein. Dazwischen alles ziemlich toll. Du bist auf der Welle mitgeschwommen, manchmal hat sie dich runtergezogen. Aber die meiste Zeit hattest du den Kopf über Wasser. Doch auf die Frage, welche tollen Autoren du dieses Jahr für dich entdeckt hast, hast du, wie jedes Jahr, keine Antwort. Fragt mich doch einfach was anderes.