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Ärger um das gelbe Gold

Von Irina

Neulich habe ich ein zweifelhaftes Kompliment bekommen. Das Abendessen war gerade beendet und ich räumte die Teller ab. Da sagte mein Kind zeitgleich mit einer großzügigen Umarmung: "Mama, heute haben deine Kartoffeln zum ersten Mal nicht eklig geschmeckt."

Bamm!
An anderer Stelle wäre ich sicher nicht so pikiert gewesen, denn ich bin wirklich keine Superköchin. Fleisch ist bei mir oft zäh, angebrannt oder beides. Bei Fisch das gleiche. Und ganz bestimmt mache ich jede Menge Fehler, die mir nicht mal bewusst sind.

Doch hier reden wir von Kartoffeln – und ich bin sozusagen die heimliche Königin der Kartoffel von Geburt an. Schon als Kind habe ich die freundlichen goldenen Dinger geliebt. Sie sind wohltuend in fast jeder Lebenslage und man kann sie in so gut wie allen Variationen essen: mit Pelle, als Bratkartoffeln, Salzkartoffeln, Pommes, Kartoffelgratin und Kartoffelsalat. Wenn ich im Kochbuch Rezepte mit Chroissants sehe, die mit Kartoffeln zubereitet werden, kriege ich ganz weiche Knie. Während ich früher auch mal mehlige Sorten gekauft habe, kommen mir heute nur festkochende ins Haus. Soweit der Stand hier in Kartoffelhausen.

Als das Kind zur Welt kam, bin ich selbstverständlich davon ausgegangen, dass es mir in der Kartoffeldynastie nachfolgen würde. Doch weit gefehlt, es war nicht besonders angetan. Alle Varianten außer Pommes kamen nicht so gut an, was jetzt keine große Kunst ist. Gut, dachte ich, man kann nicht erwarten, einen Abklatsch seiner selbst auf die Welt zu bringen. Irgendwann gab es eine kurze Phase, in der Kartoffeln kurz beliebt waren, aber die ging vorüber und dann wurden sie wieder verächtlich beiseite geschoben. Auch damit konnte ich leben, ich hatte mich arrangiert.

Doch nun wurde plötzlich meine Expertise in Frage gestellt. Irgendwann bemerkte sie nämlich, dass woanders Essen auch anders zubereitet wird – und die kleinen Kartöffelchen von ihrer Oma mit Butter ganz wunderbar schmecken. Und unsere waren plötzlich MEHLIG.

Doch damit nicht genug: Sie waren vor allem mehlig, wenn sie von Mama zubereitet wurden. Mama, die ungekrönte Kartoffelkönigin von Geburt an, ist aber Expertin und kauft zum einen (siehe oben) nie mehlige Sorten, findet zum anderen aber auch, dass Kartoffeln nicht unbedingt bissfest sein müssen. Das gelbe Gold ist lecker in fast all seinen Daseinsformen. Ich weiß das, denn ich habe sie studiert. Ich kenne mich mit ihnen aus, im Inland wie im Ausland. Anders als dieser Zwerg hier, der sie vielleicht zwanzigmal in seinem ganzen Leben gegessen hat und sich jetzt als Experte aufspielt. Der uns zu Beginn des Essens fragt: Wer hat heute die Kartoffeln gekocht? – und sie dann nicht anrührt, wenn ich es war. Weil der Vater nämlich ein- bis drei Glückstreffer gelandet hat.

Das trifft mich tief, plötzlich ist mein Ehrgeiz geweckt und ich denke: Du kleiner Scheißer, dir werde ich es zeigen. Ich fange an, mich beim Kartoffelkochen anzustrengen, die Kochzeit mit der Eieruhr zu messen und nicht mehr Pi mal Daumen. Das lasse ich mir natürlich nicht anmerken, denn Kartoffelexperten von Geburt an brauchen eigentlich keine Eieruhren und ähnliche Hilfsmittel. Die haben das im Blut.

Ebenso wenig lasse ich mir anmerken, dass ich beim Klingeln des Timers an den Herd stürze, um sie abzugießen und dabei hektisch denke: Nein, nein, sie dürfen nicht verkochen, wenn du sie verkochst, bist du am Arsch. Denn das wäre peinlich und unter meiner Würde.

Und wisst ihr was? Die Strategie geht auf. Die Frage nach dem Kartoffelkocher des Tages wird immer seltener gestellt und es bleiben immer weniger Stücke auf dem Teller zurück. Das kann auch nur eine Phase sein, aber einstweilen sitze ich mit salbungsvoller Mine daneben, die bedeutet, dass es zum einen keine große Sache ist, ordentliche Kartoffeln zu kochen. Und zum anderen, dass es mir total egal ist, ob der Zwerg meine Kartoffeln nun isst, oder nicht. Denn ich würde mir eher die Zunge abbeißen, als mir anmerken zu lassen, dass ich mich darüber freue, doch eine würdige Nachfolge zu bekommen.